Nach der 4tägigen „Eröffnungsklausur“ in Tulln (bei der Helmut Stranzl und ich teilgenommen haben) ziehen die Grünen Korneuburg Zwischenbilanz über die Syntegration. Beeindruckend war das Engagement der Beteiligten – trotz einiger massiver Tücken des Systems. Das Ergebnis der Klausur ist für uns akzeptabler als das Ergebnis aus Tulln – es wird aber leider nicht ausreichen, um die Budgetziele zu erreichen.
Entscheidend wird daher sein, wie wir dieses „Instrument“ der Syntegration weiter nutzen – und dafür müssen wir einige Systemtücken aus dem Weg räumen.
Das System:
ist extrem starr, nicht kreativitätsfördernd und extrem intransparent (und damit „steuerbar“). Das sieht man auch an den Ergebnissen. Für die Zielerreichung einer „etwas anderen Budgetkonsolidierung für Gemeinden“ sehe ich großen Anpassungsbedarf des Systems.
Wenn das Land Niederösterreich hier viel Geld investiert, um aus künftig die Syntegration für diesen (neuen!) Anwendungsbereich selbst durchzuführen, dann muss das System zumindest in einigen Bereichen angepasst werden. (Details siehe unten) und auch die Gemeinde muss hier klar ihren Stempel aufdrücken!
Das Korneuburger Ergebnis:
Das Ziel, 7-10% der Budgetsumme einzusparen (oder mehr Einnahmen zu lukrieren) wurde meiner Einschätzung nach nicht erreicht. Die Bewertung der Maßnahmen ist in vielen Fällen schwer (Effizienzsteigerung bei Abläufen in der Verwaltung lassen sich schwer in Euros beziffern). Die wirklich großen Euro-Brocken sind in zwei Bereichen zu finden: „Küraufgaben“ der Gemeinde und Personal (Überstunden) – wo zwar in den Arbeitsgruppen schon auch konkretere Dinge angesprochen wurden, die konkrete Aufteilung der Einsparung (wo wird gekürzt) wurde aber m.E. nicht wirklich ausverhandelt. Da bleibt Konfliktpotential.
Im Vergleich zum Tullner Ergebnis sehen wir in Korneuburg doch um einiges kreativere „Handlungsvorschläge“ und weniger Potential für „Grauslichkeiten“. Das liegt natürlich am TeilnehmerInnenkreis. Deshalb bedauern wir nach wie vor, dass die SPÖ nicht dabei war.
Unbestritten ein Erfolg war es aber, dass einige „Projekte“, die schon länger im Raum stehen diskutiert und „dingfest“ gemacht wurden ((z.B. Parteienverkehr „konzentrieren“ und dafür bürgerInnengerechtere Öffnungszeiten). D.h., wenn Malik jetzt die Gemeinde längere Zeit „begleitet“, bleibt zu hoffen, dass es mit der Umsetzung flotter vorangeht. Nur – wie die Malik-Begleitung aussieht, wissen wir auch nicht so genau.Die Malik-Berater bezeichnen sich selbst als „Instrument“ – das „die Gemeinde“ verwenden kann. Offen ist, wer für diese Arbeit mit dem Instrument haupt-zuständig ist. Für den weiteren Verlauf muss jedenfalls eine Ansprechperson (ManagerIn) auf Gemeindeseite klar festgelegt werden. Das Engagement des Bürgermeisters in Ehren, er war wirklich bemüht, diese Aufgabe kann er aber aus Zeitgründen nicht übernehmen!
Durch das laufende „konzentrieren“ der Themen in den Arbeitskreisen sind viele Vorschläge/Ideen nicht näher behandelt worden. Die dürfen m.E. nicht ganz verloren gehen, sondern auch „neben den Syntegrationsergebnissen“ in die politische Arbeit einfließen. Das ist besonders wichtig, weil das Ergebnis der Syntegration allein unser Budget nicht im ausreichenden Maß „rausreißen“ wird.
Obs das Geld Wert ist?
Nachdem die Gemeinde „nur“ 1/5 der Kosten zu tragen hat (eben weil wir auch sowas wie „Versuchskaninchen“ sind), bleibt die Annahme des Angebotes des Landes (100.000 für die Gemeinde) für uns akzeptabel. Wichtig wird sein, dass auch die Gemeinde möglichst viel aus dem Prozess und aus den Beratungen lernt/profitiert und ihn auch an ihre Bedürfnisse anpasst. Deshalb brauchen wir eine klare Zuständigkeit/Ansprechperson für diesen Prozess – und das wird aus Zeitgründen weder Bürgermeister, noch Stadtamtsdirektorin sein können.
Wie schon erwähnt sehe ich das „ist es das Wert“-Problem eher auf Landesebene: Wenn Niederösterreich 400.000 Euro investiert, um Erfahrungen mit einem System zu sammeln, dann:
– ist die Frage offen, warum gerade dieses System (und diese Firma)
– sollten das Land auch Erfahrungen der „Mitspieler“ sammeln!
– sind die Ergebnisse (auch in der Umsetzung!) in Tulln und Korneuburg zu evaluieren, woraus sich m.E. ergeben wird/muss, dass das System an die „Bedürfnisse“ angepasst wird. Ob das dann noch Syntegration (Copyright) heißt, oder nicht muss m.E. nebensächlich sein. Das Ziel des Landes muss sein, durch einen guten Prozess zu guten Ergebnissen zu kommen.
Details:
das System-Unbehagen im Detail:
starr, nicht kreativitätsfördernd und extrem intransparent (und damit „steuerbar“):
- Das Land NÖ (und auch die Firma Malik) hatten (mein Eindruck) kein Interesse dran, von den „Versuchskaninchen“ auch kritisches Feedback zu bekommen. Genaugenommen gab es eine einzige Feedbackrunde am Schluss (die Frage lautete: was war ihr Highlight, also nix: was hat sie gestört) und dann gab es noch einen Fragebogen mit 5 Zeilen Platz – und personifiziert – also keine Möglichkeit z.B. für MitarbeiterInnen, kritisches Feedback abzugeben.). Dazu kommt, dass die „Rolle“ der MitarbeiterInnen des Landes relativ unklar war. Für mich egal – für andere möglicherweise ein schweres Hindernis.
- Die Firma Malik hat bei dieser Veranstaltung mein Vertrauen nicht gewonnen. Wenn die Gemeinde nun von der Firma Malik weiter betreut werden soll, sehe ich hier noch massiven Vertrauensbildungs-Nachholbedarf!
Keine Frage: das System hilft, strukturiert zu diskutieren und relativ rasch zu einigermaßen haltbaren Entscheidungen zu kommen, aber:
Von einer Vorbereitung (die in der Vorstellung des Prozesses sehr wohl angekündigt wurde) habe ich nichts gemerkt.
Wieso das Wort Konsens so oft in Verbindung mit dieser Klausur genannt worden ist, ist mir ein Rätsel.
Dass TeilnehmerInnen den Prozess durchschauen (wissen, warum sie jetzt was tun) war offenbar nicht geplant.
Tatsächlich konnten TeilnehmerInnen nur die Hälfte der Arbeitsgruppen konkret „überblicken“ und sich einbringen. Die „Auslosung“ der Arbeitsgruppen war in vielen Fällen „unerklärlich“ – die Antwort war immer nur „ist sehr komplex, hat der Computer gemacht und der errechnet das Optimum“.
Malik fand es nicht notwendig, das System zu erklären. So gab es am 3. Abend eine Runde „Abschätzung des Einspar/Erlössteigerungspotentials von bis“ – wo keiner weiß, wofür die gemacht wurde.
Verbesserungsvorschläge ans Land für die Klausur:
- die „BürgerInnen“ hatten zu Beginn klarerweise null Idee vom Aufbau des Gemeindebudgeds – daher auch z.T. Themen gewählt, die zwar interessant sind, aber keine Auswirkungen haben. Ein Budgetüberblick im Vorfeld hätte incl. einer Gegenüberstellung von Kennzahlen zu anderen Gemeinden hätte hier geholfen – und den Focus mehr auf die Bereiche gelenkt, die auch Einsparungspotential haben.
- Eine halbe Stunde „Brainstorming“ und danach „verkürzen, verkürzen, verkürzen“ – da ist klar, dass am Ende nur rauskommt, was wir „eh schon wissen“. Hätten die TeilnehmerInnen gewusst, wie kurz die erste „Inputrunde“ ist (Kärtchen mit Vorschlägen), hätten sie sich besser drauf einstellen können. Dann hätten vielleicht mehr als ein Teilnehmer sich so weit vorbereitet, ihre „Eingangsideen“ schon auf Kärtchen zu drucken – und der Input wäre weitaus üppiger ausgefallen.
- Eine halbe Stunde Zeit (am Anfang oder am Ende des Tages) zur Klärung von aufgetretenen Fragen zum Prozess hätte viel „Bauchweh“ oder „Schwimmen“ verhindert. Unklarheiten konnten so, wenn, dann nur in „Einzelgesprächen“ mit dem Organisator oder über den Bürgermeister geklärt werden. Der war wirklich bemüht, auftretende Fragen zu klären, das hat Anerkennung verdient – aber es war nicht seine Aufgabe, das hätte Malik machen müssen!
- Fehlende Unterlagen: Die einzelnen Arbeitskreise hätten immer wieder Daten und Listen gebraucht – die nicht alle in der Kürze (Nachtschicht am Wochenende?) von der Verwaltung bereitgestellt werden konnten. Keine Frage: Vorbereitung ist schwierig, wenn man nicht weiß, welche Themen kommen. Vorschlag: 1. Abend eine Woche vorher ansetzen – dann können konkrete Daten&Fakten zu den Themen erstellt und geliefert werden.
Hallo Elis,
starker Beitrag. Gut analysiert.
Ich bin überrascht (oder auch nicht?), dass Prof. Malik so eine schwache Veranstaltung „passiert“. Mir fällt da nur der Spruch ein: Wenn man nur einen Hammer hat, dann sieht man überall nur Nägel und haut mal feste drauf.
Syntegration ist sicherlich eine gute und brauchbare Methode, aber eine Methode alleine rettet keine Gemeinde und auch keine Städte. Es braucht sicherlich einen Gesamtprozess vor und nach einer solchen Großgruppenveranstaltung. Bevor man z.B. gut und sinnvoll über Veränderungen nachdenken kann, braucht es Klarheit und ein gemeinsames Verständnis über die Ist-Situation.
Malik selbst schreibt ja immer wieder, dass komplexe Fragestellungen komplexe Methoden brauchen. War es nun zu komplex oder hat man es sich zu einfach gemacht?
500 T€ sind ein stolzer Betrag (aber es war ja nur Steuergeld). Vielleicht ist Prof. Malik auch ein sehr guter Verkäufer?
Was passiert jetzt mit deinen guten Vorschlägen?
Ich bin gespannt, wie die Geschichte weiter geht und was ihr in Tulln noch umsetzen werdet.
LG und viel Erfolg!
Hans
Naja – einen guten Verkäufer erkennt man doch daran, dass die Kunden zufrieden sind. So gesehen würde ich Malik nicht als guten Verkäufer titulieren.
Wie’s in Korneuburg weitergeht, wird sich in noch vielen Gesprächsrunden auf der Gemeinde zeigen. Ob das Land Niederösterreich draus lernt, dass die Syntegration kein teures Allheilmittel ist, bleibt zu hoffen (Wobei Sobotkas Lernfähigkeit ja leider nicht die üppigste ist, wie man an den Wohnbauförderungsveranlagungen des Landes erkennt).
Interessanter und spannender Beitrag! Ich bin gerade daran ganzheitliche Optimierungsansätze zu vergleichen aber befürchte, dass ich von Malik nicht die gewünschten Infos erhalte.. Aber je länger ich mich mit ihm befasse, desto stärkrt bröckelt die Fasade. Hat sich jemand vom Managemen Zentrum zu Ihren Aussagen geäusert?
Finde diese Analyse sehr gut und kohärent mit Erfahrungen mit dieser und vergleichbaren Beratungsagenturen.
Ich habe gestern einen Vortrag Herrn Maliks zur Syntegration gehoert … Neben seinen äußerst schwammigen Ausführungen zum Konzept hat er mehrfach die äußerst erfolgreiche Implementierung in div. Niederösterreichischen Gemeinden erwähnt … Erfolgreich höchstwahrscheinlich für ihn -angesichts der Kosten. Das Preisleistungsverhaeltnis scheint zumindest in Tulln nämlich nicht gegeben.