meine persönliche „Aufarbeitung“ der „Causa Pilz“
„Es ist ja schon so viel gesagt, aber nicht von jedem(/r)“ – deshalb habe ich mir bisher bei Diskussionen zum „Grünen Rosenkrieg mit Peter Pilz“ meinen Senf erspart.
Ich bin Teil der „Grünen Basis“ – und als solche fühle ich mich 1. mitverantwortlich und 2. bewogen, meinen Standpunkt zu erläutern. Weil die „Grüne Basis“ eben nicht alle Grünen sind, sondern auch nur FunktionärInnen aus Ländern und Bezirken, die wiederum „ihre Basis“ vertreten.
Neben der derzeit im Raum stehenden Frage „Wenn Peter Pilz ein Sexist war – wie konnten die Grünen ihn so lange in ihrer Reihe dulden?“ geht es mir aber auch um die Frage „Haben wir seinen Populismus unterschätzt?“ Für wen ist der Skandal wichtiger als eine vernünftige Lösung – und haben Betroffene das Recht, Konsequenzen aus einer empfundenen (sexuellen) Belästigung selbst zu entscheiden?“
Die „Grünen Emanzen“ dulden einen Sexisten?
Die Grüne Basis wählt ihre MandatarInnen bei Bundeskongressen. Das Wahlsystem ist verbesserungsfähig – aber ich find’s sehr positiv, dass Entscheidungen auf breiter Basis getroffen werden – letztlich muss auch die breite Basis die Verantwortung dafür tragen.
Die Vorfälle im Bezug auf die Mitarbeiterin von Peter Pilz waren der Grünen Basis nicht bekannt, wirklich informiert war nur die Clubleitung – die meisten von uns kennen die KandidatInnen nicht viel besser als die Grün-interessierte Öffentlichkeit in diesem Land.
Ich selbst war beim Bundeskongress im August verhindert – habe Peter Pilz aber beim Bundeskongress vor der Wahl 2013 gewählt und hätte es voraussichtlich auch 2017 getan.
Jede/r Delegierte/r macht sich ein Bild von den KandidatInnen und entscheidet…
Natürlich zählt zur Qualifikation eines Menschen als Grüne/r MandatarIn auch seine/ihre Persönlichkeit (und Verhalten), aber auch seine/ihre Kompetenz, Menschen für Grüne Ideen zu gewinnen und Grüne Ideen im politischen Alltag umzusetzen.
Die Beurteilung eines Menschen als „Sexisten“ ist eine sehr persönliche Einschätzung
Peter Pilz war bei den Grünen (aber auch außerhalb) nicht gerade als Teamworker bekannt. Dass er gerne seine eigene Bühne hatte und daneben kaum jemandem, auch keiner Frau „ebenbürtig“ Platz einräumte, war ebenfalls kein Geheimnis. Dass er kein begeisterter Verfechter des „Reißverschlussystems“ war, was er auch immer wieder gerne „niederschwellig“ kommuniziert hat („Ich bin ein Mann, ich kann’s leider nicht ändern…“) hat mich persönlich genervt, ebenso wie seine unterschwelliges „geh Mentscherl“-Gehabe.
Diese Eigenschaften von Peter Pilz waren mir schon bekannt – und man kann das – insbesondere in Summe gesehen – schon auch als unterschwelligen Sexismus bezeichnen, oder auch herkömmlich als „Matschogehabe“.
Und ja, diesen „unterschwelligen Sexismus“ bzw. das Matschogehabe haben viele Delegierte mehr oder weniger bewusst geduldet – einige haben ihn sicherlich auch deshalb nicht mehr gewählt.
Wie gesagt – von den Vorwürfen der Mitarbeiterin waren wir nicht informiert (dazu auch noch später).
Mehr Bauchweh hatte ich mit seiner „Links-Populismus-Ansage“
Dinge sehr vereinfacht zu kommunizieren, mehr zu polarisieren – also letztlich es mit den Hintergründen nicht mehr so genau zu nehmen, eine Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft in Kauf zu nehmen, um Menschen und Medien zu gewinnen – das wollte ich nicht als „Grüne Strategie“. Peter Pilz hat diesen „Linkspopulismus“ eingefordert. Ihm persönlich hätte ich aber seine Strategie weiterhin zugestanden, weil ich bis dahin den Eindruck hatte, dass er die Details zwar in der Kommunikation unter den Tisch fallen lässt, sie aber nicht verweigert und transparent zur Verfügung stellt.
Auszug aus der Wikipedia-Definition von Populismus:
Populismus ist häufig geprägt von der Ablehnung von Machteliten und einigen Institutionen, Anti-Intellektualismus, einem scheinbar unpolitischen Auftreten, Berufung auf den „gesunden Menschenverstand“ (common sense) und die „Stimme des Volkes“, Polarisierung, Personalisierung, Moralisierung und Argumenten ad populum oder ad hominem. Populismus betont häufig den Gegensatz zwischen dem „Volk“ und der „Elite“ und nimmt dabei in Anspruch, auf der Seite des „einfachen Volkes“ zu stehen.
Haben wir seinen Populismus unterschätzt?
ich für mich persönlich kann hier nur mit einem klaren JA antworten. Denn insbesondere im Zugang zu den Differenzen zwischen Pilz und seiner Mitarbeiterin ist für mich als Grüne sein Populismus untragbar geworden:
- Sein Getöse über ein fehlendes „ordentliches Gericht“: Hier lässt er ein entscheidendes Detail wegfallen und man findet es auch nicht unter dem Tisch: Die Mitarbeiterin forderte Keine Konsequenzen für Pilz. Sie hat ihn auch nicht angeklagt – und sie wünschte dezidiert Verschwiegenheit auch gegenüber der „Grünen Basis“.
- Sein Beharren auf eine öffentliche Diskussion, also die „Auseinandersetzung am Stammtisch“: Pilz lehnte ja nicht nur eine außergerichtliche Lösung ab, er forderte von Anfang an eine öffentliche Auseinandersetzung. Es ging aber nicht um politische Forderungen zur Festschreibung von Benimm-Regeln, sondern um die Bitte einer Mitarbeiterin um Versetzung – und um ihre persönliche Begründung dafür.
Mit diesem Populismus stellt Peter Pilz – meines Erachtens – vor allem eines in Frage: Den Schutz des Schwächeren vor dem Machttrieb des Stärkeren.
Wenn – so wie Pilz das eigentlich fordert – eine außergerichtliche und nicht-öffentliche Auseinandersetzung mit (sexueller) Belästigung nicht mehr möglich ist, ist keinem geholfen. Wenn jemand – insbesondere am Arbeitsplatz gegenüber „stärkeren“ Vorgesetzten – keine Rache will und keine Konsequenzen fordert – sondern einfach seine/ihre Ruhe – und man diese nur noch vor Gericht und Öffentlichkeit ausstreiten kann, ist das ein massiver Rückschritt für Opfer und „unbewusstem“ Täter.
Mit diesem Populismus lenkt Peter Pilz nicht nur erfolgreich von der eigentlichen Frage des „unterschwelligen“ bzw. vlt. auch „unbewussten“ Sexismus, ab – sondern schafft eine neue:
Wie kann sich ein Mensch (Frau oder Mann) vor empfundenen Belästigungen schützen, ohne sich Rachegelüste unterstellen lassen zu müssen? Muss man Anzeige erstatten oder ist es noch möglich, im Gespräch (über VermittlerInnen) eine Lösung zu suchen?
Und da kommt nun der Rosenkrieg ins Spiel: Kann man sich auch trennen, ohne das gesamte Porzellan zu zerbrechen?
Vorerst nur als Ergänzung: Es gibt neue Vorwürfe gegen Pilz: http://diepresse.com/home/innenpolitik/5316242/Causa-Pilz_Mehr-Frauen-melden-sich
Demnach sieht es inzwischen so aus, als habe er vor allem ein Alkoholproblem, seine diversen Anmachen sind davon eine Folge bzw. Alc gibt bei Herrn Pilz die Zunge frei.
„Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit“.